Die Quantitative Systemische Pharmakologie (QSP)
ist ein Ansatz, der mithilfe mathematischer Computermodelle dynamische
Wechselwirkungen zwischen einem Arzneimittel und der betreffenden Pathophysiologie
beschreibt. Ziel ist es, die Vorgänge im Körper, dem „biologische System“, ganzheitlich
zu verstehen, das heißt sowohl auf zellulärer bioschemischer Ebene wie auch im
Organverbund. QSP-Modellentwicklung erlaubt uns, durch eine Krankheit verursachte
physiologische Veränderungen besser zu verstehen, mögliche neue Präparate im
Computer frühzeitig und zuverlässig zu beurteilen, rationale Entscheidungen zu unterstützen,
und die Kosten und die Entwicklungsdauer neuer Medikamente zu reduzieren. QSP
kombiniert das mechanistische Modell der Pathophysiologie, systemisches
(ganzheitliches) Denken, Pharmakokinetik (PK, was der Körper mit dem Medikament
tut), und die Pharmakodynamik (PD, was das Medikament mit dem Körper macht)
eines Medikaments mittels quantitativer Datenanalyse und Datenintegration. Das
resultierende Computermodell kann verwendet werden, um Simulationen durchzuführen,
die über das derzeit Bekannte hinausgehen, um zu verstehen, wie Medikamente
zelluläre Netzwerke modifizieren, beispielsweise die neuronalen Netzwerke im
Gehirn, und wie sie von der Pathophysiologie bzw. dem Arzneimittel beeinflusst
werden. Ebenso berücksichtigt werden die biologische Variabilität, die Wirksamkeit
und die Gefahrlosigkeit des jeweiligen Arzneimittels.
QSP wird zunehmend in der Arzneimittelentwicklung
eingesetzt, um die Forschung und Entscheidungsfindung in folgenden Bereichen zu
unterstützen:
Dosisoptimierung: Komplexe Erkrankungen wie Krebs, Erkrankungen des Zentralnervensystems
(z. B. chronische Schmerzen) und Stoffwechselerkrankungen umfassen
typischerweise eine Kombinationstherapie. Die Einbeziehung von
Krankheitsmechanismen über QSP-Modelle führt zu wichtigen und oft kontraintuitiven
Erkenntnissen für die Entscheidung über optimale Dosierungen und kombinierte
Therapieansätze.
Präzisionsmedizin: Viele Krankheiten, aber auch viele Medikamente weisen Heterogenität
auf, was bedeutet, dass sie unterschiedlich wirken in Subpopulationen von
Patienten. Die Verwendung von QSP-Modellen kann den Einfluss der biologischen
Variabilität auf die Wirksamkeit und Gefahrlosigkeit einschätzen und zu
rationalen Entscheidungen darüber führen, welche Behandlung oder
Kombinationstherapie am besten für welche Patienten-Subpopulation geeignet ist.
Auswahl pharmakologischer Ziel-Proteine: Arzneimittelentwicklung beginnt meist mit der Auswahl aus einer Liste potenzieller Ziel-Proteine. Die Entwicklung von QSP-Modellen für jedes potenzielle Ziel-Protein führt dazu, dass Affinitäts- und Dosisanforderungen ermittelt und optimale Arzneimittelparameter vorhergesagt werden können. Dieser Ansatz hilft, weniger vielversprechende Ziel-Proteine frühzeitig zu eliminieren, so dass sich die Forschung auf vielversprechendere Ziel-Proteine konzentrieren kann.
Wirksamkeit und Gefahrlosigkeit von Arzneimitteln: Die meisten Arzneimittel werden im Stadium der klinischen Prüfung aufgrund geringer Wirksamkeit aussortiert. Hohe Wirksamkeitswerte in Tierversuchen lassen sich häufig nicht auf den Menschen übertragen. QSP-Modelle haben das Potenzial, diese Diskrepanz vorherzusagen. QSP kann vorhersagen, welche Medikamente vermutlich effizienter sind als andere, und hilft bei der Vorhersage, welche Medikamente aus bestimmten Gründen versagen könnten. Da QSP-Modelle die Arzneimittelexposition auf organ- und systembiologischer Ebene vorhersagen können, bieten solche Modelle auch mechanistische Einblicke bezüglich Toxizität und potentieller Nebenwirkungen.